Potenziale und Risiken von KI bei der Energieversorgung

Interview über den Einsatz von KI in der Energieversorgung mit Friederike Rohde und Josephin Wagner vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung.

Immer wieder ist zu hören, dass die Energiewende nur durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz gelingen könne. Ob KI- Systeme tatsächlich im erhofften Umfang Nutzen bringen werden, bleibt abzuwarten. Im Rahmen des Forschungsprojekts „SustAIn: Der Nachhaltigkeitsindex für Künstliche Intelligenz“ haben Forscher*innen vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) anhand von 22 Strategie- und Positionspapieren aus dem deutschen, europäischen und internationalen Raum sowie Expert*inneninterviews die vielfältigen Interessen analysiert, die die Diskussion über Potenziale und Risiken von KI bei der Energieversorgung prägen.

Welche Hoffnungen verbinden Stakeholder mit dem Einsatz von KI in der Energieversorgung?

Josephin Wagner: Unsere Studie zeigt, dass sie vor allem erwarten, dass der Einsatz von KI große Chancen mit sich bringen wird. KI-Systeme sollen die Energieversorgung zum Beispiel effizienter machen, indem sie Prozesse optimieren, Daten in Echtzeit verarbeiten oder Prognosen erstellen. Durch eine Automatisierung könnte auch frühzeitig erkannt werden, ob Anlagen repariert werden müssen. Die Stakeholder hoffen, dass sich durch den Einsatz von KI Kosten senken und Profite maximieren lassen. KI soll aber auch die Energiewende voranbringen und angesichts der steigenden Komplexität des Energiesystems Lösungen anbieten. Da die Zahl der Erzeuger und Verbraucher:innen im System steigt und der Energiesektor immer digitaler wird, steigt die Menge an zu verarbeitenden Daten deutlich. Die Stakeholder glauben, dass vor allem KI-Systeme mit der Masse an Daten umgehen können.

Friederike Rohde: Unsere Analyse zeigt, dass sie erwarten, dass KI-Anwendungen den Energieverbrauch optimieren werden, durch datengestützte Last- und Einspeiseprognosen und ein darauf basierendes Management. Eine optimierte Anpassung von Energieerzeugung und -verbrauch durch bessere Prognosen entlastet die Stromnetze. Die Stakeholder glauben deshalb, dass KI-Systeme einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit und Systemstabilität leisten. Außerdem sollen auch erneuerbare Energien durch KI besser an den Energiebedarf angepasst und in das Energiesystem integriert werden. Von KI-Anwendungen wird erwartet, dass sie die notwendige Präzision für entsprechende Optimierungsdienste mitbringen. Durch die automatisierte und adaptive Verarbeitung der Verbrauchsdaten soll die Bereitstellung dieser Dienste zu vertretbaren Kosten überhaupt erst möglich werden.

„In den 22 von uns analysierten Dokumenten zur Rolle von KI für die Energiewende werden die Chancen stärker betont als die Risiken.“

Welche Risiken sehen die Stakeholder?

Josephin Wagner: In den von uns analysierten Dokumenten wurden klassische Risiken thematisiert, zum Beispiel auf dem Gebiet der Cybersecurity, aber ebenso der Energie- und Ressourcenverbrauch, der für den Betrieb der KI-Systeme und ihre Infrastruktur notwendig ist. In den Interviews, die wir mit Expert:innen geführt haben, ging es aber auch um die Frage, welche Akteure eigentlich besonders vom zunehmenden KI-Einsatz profitieren. Die Befragten sehen das Risiko, dass besonders diejenigen davon profitieren könnten, die bereits über viele Daten verfügen, beispielsweise die großen Übertragungsnetzbetreiber. Kleinere Akteure wie kommunale Versorger müssten hingegen erst die Kompetenzen und Dateninfrastrukturen aufbauen, um die Vorteile der intelligenten Optimierung nutzen zu können. Außerdem beurteilten die Interviewten kritisch, dass aktuell vor allem im Energiesektor finanzielle und personelle Ressourcen in die Entwicklung von KI investiert werden. Während der Nutzen von KI-Anwendungen bei der Energieversorgung längst nicht erwiesen sei, gerate die Weiterentwicklung von KI-Anwendungen in anderen Bereichen durch die Fixierung auf den Energiesektor ins Stocken.

Was erhält in den Diskussionen eine größere Aufmerksamkeit: die Chancen oder die Risiken?

Friederike Rohde: In den 22 von uns analysierten Dokumenten zur Rolle von KI für die Energiewende werden die Chancen stärker betont als die Risiken. In den Interviews mit den Expert:innen hat sich aber auch die Krux dieser Technologie gezeigt: Auf der einen Seite möchten sie durch KI besser mit systemischer Komplexität umgehen können, auf der anderen Seite wird das System durch den Einsatz von KI wiederum noch komplexer, wodurch auch die Risiken steigen. Diese Ambivalenz kommt aber selten explizit zur Sprache.

Josephin Wagner: Was die Nachhaltigkeit von KI-Technologien im Energiesystem angeht, müssen wir nach unserer Fallstudie ganz klar sagen: Der Energieverbrauch des Trainings von KI-Modellen zur Optimierung des Energie-Eigenbedarfsmanagements ist verschwindend gering. Es ist also sehr sinnvoll, im Energiesystem auf eine intelligente Optimierung und KI-Technologien zu setzen. Die vorhandenen positiven Erwartungen sind allerdings dennoch überzogen, denn es müssen noch nicht-technische Hürden überwunden werden, was uns KI nicht abnehmen wird: etwa die Entwicklung passender regulatorische Rahmenbedingungen oder die Teilhabe von Bürger:innen an der Ausgestaltung des Energiesystems. Tatsächlich ist es so, dass viele Pilotprojekte an den regulativen Rahmenbedingungen scheitern. Diese Bedingungen müssten parallel zur Entwicklung der Technologie so gestaltet werden, dass KI tatsächlich einen positiven Beitrag für die Energiewende leisten kann.

Friederike Rohde ist Nachhaltigkeitsforscherin und Techniksoziologin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und promoviert an der TU Berlin. Sie beschäftigt sich mit soziotechnischen Zukunftsszenarien im Kontext des digitalen Wandels, sozialen Innovationen und algorithmischen Entscheidungssystemen.

Josephin Wagner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Im Forschungsfeld Umweltökonomie und Umweltpolitik arbeitet sie schwerpunktmäßig zu den Themen „Digitalisierung und sozialer Wandel“ sowie „ökonomische und institutionelle Analyse von Umweltpolitiken“.

Das Interview wurde in der zweiten Ausgabe des SustAIn-Magazins veröffentlicht. Für mehr Artikel und Fakten zum Thema KI und Nachhaltigkeit hier das ganze Magazin als PDF runterladen.