Stellungnahme zu Metas Ankündigung, Moderation und Faktenchecks zurückzufahren
Mark Zuckerberg sagt, dass er die „Zensur“ auf den Meta-Plattformen beenden wolle, aber seine geplanten Änderungen werden das Gegenteil bewirken. Sie können auch für Nutzer*innen in der EU schwerwiegende Folgen haben. Welche Möglichkeiten haben die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten, diesen Entwicklungen entgegenzutreten?
Drei Milliarden Menschen nutzen Instagram. Facebook, WhatsApp und Threads. Ihnen steht zu, Zugang zu verlässlichen Informationen zu erhalten und an Diskussionen teilnehmen zu können, ohne dass sie beschimpft werden und ihnen Hass entgegenschlägt. Aber die Änderungen sind nur dazu da, sich Donald Trump und seinen Hardcore-Anhänger*innen anzubiedern. Es ist eine Illusion, auf den Meta-Plattformen ausgewogene Inhalte zu erwarten. Der Trend geht eindeutig in die Richtung, die Trump vorgibt. Das zeigt, wie sehr unser Informationsraum – der die Grundlage unserer Demokratien und gesellschaftlichen Debatten ist – in den Händen einiger weniger Personen liegt, deren Entscheidungen unverhohlen nur auf ihren Eigennutz ausgerichtet sind. Leider können wir nicht sagen, wie die EU auf solche Entwicklungen reagieren soll, wie wir gleich erläutern werden.
Die freie Meinungsäußerung ist ein fragiles Gleichgewicht. Sie muss pluralistische Ansichten teilen und aushalten können, aber dabei gleichzeitig vor Angriffen geschützt sein. Ein positiver demokratischer Diskurs kann nicht stattfinden, wenn Menschen Lügen verbreiten, andere belästigen oder mangelnde Sicherheitsvorkehrungen ausnutzen, um Einfluss zu nehmen. Faktenchecks und die Moderation von Plattformen führen nicht zwangsläufig zu gelöschten Inhalten. Sie können Maßnahmen sein, um falsche Aussagen zu kennzeichnen und zuverlässige und zutreffende Informationen zu gewährleisten. Die besten Ansätze dazu kombinieren technische Methoden, die Zusammenarbeit mit Expert*innen, effektive Meldemechanismen für Nutzer*innen und ausreichend Personal. Zuckerberg weiß das alles – seine haltlosen Behauptungen über eine „Zensur“ sollen bloß das Trump-Lager ansprechen.
Plattformen können, mit Absicht oder nicht, eine Seite bevorzugen. Meta hat selbst ein unverhältnismäßiges Hervorheben der Beiträge von Trump-Anhänger*innen auf Facebook eingeräumt (auch wenn die ständig behaupten, „zensiert“ zu werden). Vor Kurzem musste Meta zugeben, LGBTQIA+-Inhalte unterdrückt zu haben. Wenn Zuckerberg wirklich glauben würde, dass Moderation der Meinungsfreiheit schadet, hätte er seine Teams für „Vertrauen und Sicherheit“ (die Fehler bei der Moderation von Beiträgen beheben sollen) nicht dezimiert, um mehr Geld in das Metaverse und KI stecken zu können. Und er würde sicherlich nicht diese plumpen und tendenziösen Maßnahmen ergreifen, die er jetzt vorschlägt.
Risiken für den Zugang zu Informationen: Was kann die EU tun?
Seine Änderungen werden es schwieriger machen, zuverlässige Informationen auf Meta-Plattformen zu erhalten. Faktenchecks werden abgeschafft und durch ein an X angelehntes „Community Notes“-System ersetzt, bei dem Nutzer*innen Inhalte bewerten. In Situationen, die sich schnell ändern, wird dieses System nicht Schritt halten können. Analysen von Expert*innen werden dort nicht zu finden sein. Stattdessen wird dort kollaborativ darüber abgestimmt, was als wahr zu gelten hat. Trump wird zufrieden sein, wenn sich so leichter Lügen verbreiten lassen, etwa die, dass die Wahl 2020 gestohlen worden sei oder Haitianer*innen Haustiere jagen und essen.
Es ist nicht ganz klar, wie die EU darauf reagieren kann, wenn diese Veränderungen (die derzeit nur für die USA vorgesehen sind) auch in der EU Einzug halten. Das Europäische Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) schreibt Plattformen vor, systemische Risiken einzudämmen, d.h. negative Auswirkungen auf den zivilen Diskurs, die öffentliche Sicherheit und die Grundrechte. Solche Risiken werden jedoch eher in Kauf genommen, wenn Faktenchecks gestrichen werden und ungebremst Minderheiten verunglimpft werden können. Wir können davon ausgehen, dass diesem Schritt Desinformations- und Verleumdungskampagnen folgen werden. Die mangelnde Wirksamkeit der Community Notes wurde bereits von der EU-Kommission in ihrem förmlichen Verfahren gegen X kritisiert.
Zuckerberg könnte jedoch argumentieren, wie X es in seinem Risikobewertung-Bericht im letzten Jahr getan hat, dass seine Schritte Risiken für die Meinungsfreiheit eindämmen – was der DSA auch anstrebt. Es ist immer noch nicht klar, wie die EU diese widersprüchlichen Risiken austarieren will. Sie wird dabei vorsichtig vorgehen müssen. Der DSA deckt Prozesse und die Transparenz von Social-Media-Plattformen ab. Zuckerberg hat seine Änderungen transparent gemacht und Metas neue Prozesse klar dargelegt. Der DSA schreibt – zu Recht – nicht vor, welche Inhalte Plattformen verbreiten müssen oder nicht verbreiten dürfen (abgesehen von illegalen Inhalten). Bei der Gestaltung und Umsetzung des DSA wurde generell darauf geachtet, dass keine bestimmte politische Richtung bevorzugt wird. Zuckerberg und anderen ist es offenbar sehr wichtig, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken, auch wenn er irreführend ist.
Die wichtigste Frage, die sich stellt, ist: Was tun, wenn sich die Plattformen einfach weigern, EU-Gesetze einzuhalten? Wie hart wird sie die EU bestrafen, wenn das Risiko besteht, damit die US-Regierung zu verärgern? Solche schwierigen und schwerwiegenden Entscheidungen könnten schneller als erwartet auf die EU zukommen.
„Freie Rede“ für manche
Zuckerberg behauptet, darauf reagieren zu wollen, dass viele die Moderation seiner Plattformen als voreingenommen wahrnehmen. Deshalb müssen seine Teams zum Aufbau von „Vertrauen und Sicherheit“ und zur Moderation von Inhalten aus Kalifornien wegziehen. Zuckerbergs Logik zufolge sollten sie in einem „neutraleren“ Bundesstaat oder vielleicht auch auf mehrere Bundesstaaten verteilt arbeiten. Trotzdem hat er sich für das traditionell republikanische Texas entschieden – wo ein „Anti-Zensur“-Gesetz verabschiedet werden sollte, das Plattformen zwingen würde, Hassrede und Propaganda freien Lauf zu lassen, was der Oberste Gerichtshof für ein „ganz falsches Verständnis des Ersten Verfassungszusatzes“ hält. Zuckerberg scheint mit dieser staatlichen Einflussnahme einverstanden zu sein. Seine jetzigen Maßnahmen signalisieren das zumindest.
Zuckerberg verbündet sich mit Leuten, die nicht viel von Redefreiheit halten. Elon Musk hat die autoritäre Zensur in Indien und der Türkei unterstützt (und hält Daten zurück, mit denen sich staatliche Zensurmaßnahmen nachverfolgen ließen), die Algorithmen auf X scheinbar so verändert, dass sie politisch rechte Inhalte bevorzugen und (mehrfach) versucht, kritische Organisationen zum Schweigen zu bringen. Der US-Kongressabgeordnete Jim Jordan hat Unternehmen für ihre Entscheidung angegriffen, nicht auf Plattformen zu werben, die von rechten Inhalten überschwemmt werden. Trump selbst hat gesagt, dass Zuckerberg für die Art und Weise, wie er seine Plattform betreibt, im Gefängnis sitzen sollte. Diese Leute interessieren sich nur dann für die freie Meinungsäußerung, wenn es ihren politischen Ansichten nützt. Wenn das nicht der Fall ist, greifen sie sie an.
Echte Meinungsfreiheit ist ein fragiles Gebilde – ein Raum, in dem viele Stimmen Gehör und ein faires Publikum finden sollten. Zuckerberg hat deutlich gemacht, dass es ihm nicht darauf ankommt. Er bläst lieber denen Wind in die Segel, für die Meinungsfreiheit immer nur die eigene Meinungsfreiheit bedeutet.