Palantir, die Datenkrake aus dem Umfeld der Trump-Administration, zieht es nach Europa

Das Datenanalyse-Unternehmen, bekannt durch sein Mitwirken an der Abschiebe-Maschinerie der US-Regierung, stößt mit einer aggressiven Expansionsstrategie auf den europäischen Kontinent vor. Wer sind seine Kunden?

Parker Coffman| Unsplash

Nicolas Kayser-Bril
Reporter

Gegründet wurde Palantir bereits 2004, also drei Jahre nach den Anschlägen des 11. September, um den Geheimdiensten bei der Verwaltung ihrer wachsenden Datensammlungen unter die Arme zu greifen. Es ging darum, potentielle Bedrohungen frühzeitig zu identifizieren, um Anschläge zu verhindern. Angeblich war es Technik von Palantir, mit der 2011 der Aufenthaltsort von Osama Bin Laden ermittelt werden konnte, woraufhin dieser von US-Spezialkräften ermordet wurde. Aber ebenso gut kann es sein, dass einfach Bestechung im Spiel war und die USA sich von Mitarbeitern pakistanischer Behörden haben helfen lassen.

Spektakulären Gerüchten über die Leistungsfähigkeit seiner Produkte zum Trotz hat Palantir bislang keine Gewinne erzielt. Das Unternehmen ist schlicht nicht profitabel, vor allem, weil es seine Produkte für jeden neuen Kunden individuell anpassen muss und deshalb nicht von Skalierungseffekten profitieren kann. Ein 2017 eingeführtes neues Produkt namens Foundry soll dieses Problem nun lösen. Und Europa fungiert als Testmarkt für das neue Produkt.

AlgorithmWatch hat fast vierzig deutsche Unternehmen über ihre Geschäftsbeziehungen zu Palantir befragt und Hunderte öffentlich zugänglicher Quellen ausgewertet. Unsere Übersicht zeigt, wer die Kunden des Unternehmens sind und wozu sie dessen Produkte einsetzen.

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Die Palantir-Software ist relativ simpel. Das Unternehmen wirbt zwar damit, es könne „Daten-Abfälle in Goldminen“ verwandeln. Tatsächlich stellt es aber nur eine Benutzeroberfläche zur Verfügung, über die die Kunden auf ihre eigenen Datenströme zugreifen können. Dabei setzt die Software auf bereits bestehende Technologien auf, wie etwa auf Apache Spark, ein Framework für Cluster-Computing. Keine künstliche Intelligenz, kein automatisiertes Lernen, keine Zauberei – so fasste es 2016 ein Mitarbeiter des Unternehmens zusammen. Auch wenn jemand, der nicht mit allen Produkten im Einzelnen vertraut ist, eine solche Aussage kaum wird belegen können, ist die relativ begrenzte Leistungsfähigkeit der Software möglicherweise ein ausschlaggebender Grund dafür gewesen, dass sich in den letzten Jahren Kunden wie American Express oder Coca-Cola von Palantir abgewandt haben. Einige sind wohl auch wegen geringerer Preise zur Konkurrenz abgewandert, etwa zum irischen Wettbewerber Siren.io. Das behauptete 2017 jedenfalls dessen Mitgründer Giovanni Tummarello.

Wurzeln in der Politik

Man sollte Palantir nicht zuletzt wegen der Vernetzung der Firma mit dem politischen Betrieb im Auge behalten. So gehörte Mitgründer und Investor Peter Thiel 2016 zu Donald Trumps „Übergangsteam“ für die Präsidentschaftswahlen. Auch die CIA war über ihre Beteiligungsgesellschaft In-Q-Tel schon in einem frühen Stadium an dem Unternehmen beteiligt. Heute sind es die US-Einwanderungsbehörden, die von Palantir mit Software versorgt werden – jene Behörden also, die an den Landesgrenzen die Kinder der Immigranten von ihren Eltern trennen.

In Europa präsentiert sich die Firma als Schutzschild gegen den Terrorismus. So gelang es ihr nach den Anschlägen von 2016 in Frankreich und Dänemark, die dortigen Polizeibehörden als Kunden zu gewinnen. In Dänemark wurden sogar Gesetze geändert, um die Erhebung personenbezogener Daten zu erleichtern und zukünftige Verbrechen „im Vorfeld zu verhindern“ – und um die Software des Unternehmens mit neuen Daten zu speisen.

Zwar sichert Palantir seinen Kunden die volle Kontrolle über die eigenen Daten zu. Zugleich aber drängt das Unternehmen sie dazu, diese Daten in anonymisierter Form wieder zur Verfügung zu stellen, um das Angebot von Palantir fortlaufend zu verbessern. Skywise ist ein Tool, das auf Foundry basiert und in Kooperation mit Airbus entwickelt wurde. Es ist für Fluggesellschaften gedacht, und wenn sie es nutzen, sollen sie die Daten möglichst für weitere Nutzungen freigeben, damit auch andere davon profitieren können.

Wie gefährlich es sein kann, die Kontrolle über private Daten oder auch Daten der öffentlichen Hand einem Unternehmen wie Palantir zu überlassen, konnte die Polizei von New York bereits 2017 feststellen. Damals entschloss man sich, die Geschäftsbeziehung zu dem Unternehmen zu beenden, weil die Software die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe und ihr Geld nicht wert sei. Palantir aber weigerte sich, die Kundendaten in einem offenen Dateiformat herauszugeben – die Daten wurden also zu einer Art Geisel in den Händen des Unternehmens.

Trotz solcher Geschäftspraktiken und obwohl es an Wettbewerb nicht mangelt, stellt die öffentliche Hand ihre Zusammenarbeit mit Palantir immer wieder als alternativlos dar. So etwa in Hessen, wo das Land mit dieser Begründung die Software ohne öffentliche Ausschreibung ankaufte.

Und Palantir-Geschäftsführer Alex Karp, der in den Aufsichtsräten des deutschen Chemie-Riesen BASF und des Medienkonzerns Axel Springer sitzt, wurde 2018 bei der Münchner Sicherheitskonferenz an der Seite von Ursula von der Leyen gesichtet. Dass Alex Karp alles tut, um Palantir-Produkte auch weiterhin in Europa an den Mann zu bringen, bei Unternehmen ebenso wie bei der öffentlichen Hand, steht außer Zweifel.

Aber kann man der Firma vertrauen? Einem Unternehmen, das seine Rolle im Cambridge-Analytica-Skandal falsch dargestellt und seine Beteiligung am Abschiebe-System der Trump-Administration sogar rundweg abgestritten hat? Diese Frage werden sich überall in Europa nicht zuletzt die gewählten Abgeordneten stellen müssen. Sie sollten genau hinschauen.

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Übersetzung: Ilja Braun

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