re:publica 2019: Unsere Sessions, unsere Empfehlungen

Es ist wieder soweit: Vom 6. bis 8. Mai findet die re:publica 2019 in Berlin statt. AlgorithmWatch ist diesem Jahr mit zwei Sessions am 7. und 8. Mai vertreten.

Sessions mit AlgorithmWatch

7. Mai 15:30 
Citizen Scoring in the EU - it happens at home, not only in China!
Matthias Spielkamp Kristina Penner

In vielen EU-Staaten kommen automatisierte Entscheidung (automated decision-making, ADM) zum Einsatz, beispielsweise um Sozialbetrug aufzudecken, vernachlässigte Kinder zu identifizieren oder um festzulegen, wie viel Pflege ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung bekommen. Doch es mangelt an Überwachungsmechanismen und Nachvollziehbarkeit. In dieser Session präsentieren wir die wichtigsten Ergebnisse Report „Automating Society – Taking Stock of Automated Decision-Making in the EU“. (Session auf Englisch).

8. Mai  16:30 
KI: Mensch, Macht, Maschine
Martin Ebers Matthias Spielkamp Björn Böhning Chris Kranzinger (Diskussion)

„Künstliche Intelligenz“ kann unser Leben, Lernen und unsere Arbeiten besser machen. Im Spannungsfeld zwischen Innovation und inklusivem Wachstum müssen wir Regeln finden, die zu einer menschzentrierten Gestaltung von KI beitragen. Ethische Leitlinien für KI sind von großer Bedeutung, aber wichtige Fragen bleiben bisher unbeantwortet: Was können und sollen Unternehmen tun? Wo setzen Standards und Normen an? Brauchen wir für eine menschenzentrierte Gestaltung von KI auch eine verbindlich(er)e Regulierung?

Für alle, die angesichts der mehr als 600 Sessions mit über 1000 Speakern etwas Orientierung gebrauchen können, haben unsere Researcher Veronika Thiel (VT) und Sebastian Gießler (SG) Tipps für das Programm zusammengestellt und ihre Empfehlungen kurz begründet.

Empfehlungen für Montag, 6. Mai

6. Mai 13:00  Stage 2 
Die Wahrheit in Torten
Katja Berlin

Als Senior Researcher kommen mir immer wieder Infografiken unter die Augen, die durch verschobene Achsen und Skalen Sachverhalte bewusst oder unbewusst verzerrt darstellen. Da wünsche ich mir immer, dass jede*r von uns besser Bescheid wissen sollte, warum 3D-Graphen und Tortendiagramme mit 20 Segmenten nur der Verwirrung dienen und das Augenmerk vom Wesentlichen eines Texts ablenken können. Katja Berlin, bekannt durch ihre „Torten der Wahrheit“ in der ZEIT, verspricht einen unterhaltsamen Blick darauf, wie unsere Wahrnehmungsweise mit Infografiken beeinflusst werden kann und warum es sich doch oft lohnt, einen langen Text zu lesen. (VT)

 

6. Mai 

Die Session gibt einen Einblick in rechte Influencer-Netzwerke - wie sehen sie aus, wie funktionieren sie, wer finanziert sie. Wer versteht, wie die Strippenzieher im Hintergrund vorgehen, kann dem auch besser Einhalt gebieten. Hingehen! (VT)

 

6. Mai 14:15 Loft T 
Expect the Unexpected: Implementing AI at the Workplace
Shirley Ogolla | Hendrik Send

Sogenannte Künstliche Intelligenz im Management und Personalwirtschaft wird als 'das neue große Ding' angesehen, doch wie sieht es am Ende aus, wenn diese Systeme im Alltag ankommen? Dieser Vortrag betrachtet das Thema aus Perspektiven, die sich von den üblichen alarmistischen Beiträgen unterscheiden: Erstens wird eine spezifisch deutsche Perspektive eingenommen, und zweitens ist es keine ‚Was wäre wenn‘-Argumentation, sondern basiert auf empirischen Ergebnissen. Die Speaker betrachten dabei die Auswirkungen von KI-Systemen auf die betriebliche Praxis. Eine wichtige Session um die Debatte zu informieren und herauszuarbeiten, wo Fähigkeiten und Grenzen dieser Systeme liegen. (SG)

Dieser Talk richtet sich hauptsächlich an Journalisten, aber alle, die das Internet nutzen, können dazu beitragen, die Verbreitung von Hetzmeldungen und -kampagnen zu bremsen. Eva Horn stellt die Mechanismen vor, derer sich Trolle bedienen und gibt Hinweise, wie man ihnen entgegensteuern kann. (VT)

 

Outsourcing Ethics to Machines
Mark Surman

Über Ethik wird im Kontext von "Künstlicher Intelligenz" oft und gerne gesprochen. Aber was bedeutet eine "'gerechte' Künstliche Intelligenz"? Und inwiefern steht ein zu einfaches Verständnis von "Künstlicher Intelligenz" möglichen Lösungen dieser Herausforderung im Weg? Mark Surman von der Mozilla Foundation versucht, dieses komplexe Thema in seiner Session anzugehen, und möchte dabei sowohl Negativbeispiele zeigen, als auch mögliche Lösungsansätze diskutieren. Empfehlenswert für alle, die sich jenseits aller Ethikrichtlinien für dieses Thema interessieren. (SG)

 

Empfehlungen für Dienstag, 7. Mai

7. Mai 10:00 Der Antiautoritäre Aufstand: Populismus als entgleiste Aufklärung
Torben Lütjen

Torben Lütjen präsentiert in diesem Vortrag seine Sicht, dass der neuerstarkte Populismus keineswegs nur von autoritären Strukturen geprägt ist, sondern im Gegenteil, als eine anti-autoritäre Bewegung funktioniert, die Expertentum als Autorität ablehnt und gefühlte Wahrheiten unter dem Deckmantel der Mündigkeit und einer Anti-Eliten-Rhetorik als einzige Wahrheiten zulässt. Auch hier gilt wieder: Je besser man ein Phänomen versteht, desto besser kann man ihm entgegenwirken. (VT)

 

Stage 2 
#NoTechxit - Zurück zu Made in Europe
Claudia Nemat Anke Domscheit-Berg Felix Lee Astrid Maier

Diese Podiumsdiskussion könnte ein angenehmes Gefühl der Selbstvergewisserung oder Gründe für zusätzliche Verunsicherung liefern. Eine europäische Lösung für die technologische Herausforderung "Künstlicher Intelligenz" wird zurzeit vielerorts diskutiert, von der Europäischen Union über die Bundesregierung bis hin zu diversen Think Tanks. In dieser Podiumsdiskussion wird, erneut, der Technologiestandort Europa mit seinen Werten und Richtlinien verhandelt. Es soll diskutiert werden, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um europäische Unternehmen zu fördern und die technologisch-wissenschaftliche Souveränität Europas zu sichern. Diese Diskussion möchte einen ‚dritten Weg‘ zwischen den Vereinigten Staaten und der VR China skizzieren. (SG)

 

7. Mai  11:15 Informal 4.0: How Tech Savvy Africans Are Transforming the Informal Economy
Niti Bhan Lisa Nyamadzawo

Man denkt ja so gerne, alles was mit "KI" und Computern zu tun hat, kommt hauptsächlich in industrialisierten Ländern zum Einsatz. Wie digitale Technologie den afrikanischen Alltag und die dortige informelle Wirtschaft beeinflusst, wird in diesem Workshop vorgestellt. Die gleiche Technologie, die in Deutschland und anderswo die Gig-Ökonomie mit ihren Vor-und Nachteilen ermöglicht, kann in Teilen Afrikas dazu dienen, die informelle Wirtschaft zu beschleunigen und ihren Teilnehmer*innen bessere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. (VT)

 

Henne oder AI?
Philipp Koch

Was war zuerst da, die "Künstliche Intelligenz" oder derjenige der versucht sie zu verkaufen? Künstliche Intelligenz, Artifical Intelligence und Machine Learning sind einerseits oft diffuse Containerbegriffe, die dennoch ständig als Lösungsversprechen für eine Vielzahl an sozialen und technischen Problemen betrachtet werden. Auf der anderen Seite wird das dystopische Potential dieser Technologien überbetont. Philipp Koch möchte diese Debatte aufklaren und erläutern, was unter dem Schlagwort "Künstliche Intelligenz" zu verstehen ist und wie diese funktioniert. (SG)

 

7. Mai  13:45 Stage 5 
What happens when automated systems draw our maps?
Tracy Rolling David Volpe

Algorithmische Systeme spielen auf vielen Ebenen des sozialen Lebens eine Rolle, was in vielen Fällen nicht von Anfang sichtbar ist. In dieser Session befassen sich Trace Rolling und David Volpe mit den systematischen Verzerrungen bei automatisiert erstelltem Kartenmaterial. Ein gutes Praxisbeispiel, wie die Ergebnisse automatisierter Systeme mit politischen Positionen und Interessen zusammenwirken. Das ist besonders relevant, da Karten immer auch Ausdruck einer politischen Motivation und eines Narrativ sind. (SG)

 

7. Mai | 15:00 Stage 4 
Plattformarbeit - Lohnende Mikro-Selbständigkeit oder reine Ausbeutung?
Björn Böhning Carlos Frischmuth Britta Redmann Dr. Ole Wintermann

Die Folgen von Gig-Economy und Plattformarbeit für die Arbeitswelt werden immer wieder breit diskutiert. Dabei werden insbesondere Beispiele aus den USA verwendet. Die Arbeitswelt der Vereinigten Staaten unterscheidet sich jedoch immens von den rechtlichen und sozialen Bedingungen  in Deutschland. In dieser Session soll anhand der Ergebnisse eines Forschungsprojekts Plattformarbeit in Deutschland diskutiert werden, insbesondere unter dem Bickwinkel welche Herausforderungen diese neuen Koordinationsmöglichkeiten von Arbeit an bestehende gesetzliche Regularien in Deutschland stellen. (SG)

Empfehlungen für Mittwoch, 8. Mai

Technikvorhersagen vor 60 Jahren & was daraus wurde
Theobald Fuchs

Theobald Fuchs befasst sich in seinem Talk mit utopischen Versprechen von Wissenschaft und Technik aus den vergangenen 60 Jahren, von atomar betriebenen Autos bis zu Safari-Hotels auf dem Mond. Spannende und unterhaltsame Parallelen zu den Versprechungen von „Künstlicher Intelligenz“ und Algorithmen sind garantiert. (SG)

8. Mai 12:30 The Algorithmic Boss
Alex Rosenblat

Alex Rosenblat ist Autorin von Uberland: How Algorithms Are Rewriting the Rules of Work. Darin beschreibt sie am Beispiel von Uber ethnographisch, wie algorithmische Systeme die Arbeitswelt verändern, indem sie Arbeit völlig anders verstehen. Besonders spannend an diesem Talk ist, dass hier eine empirische Studie vorliegt, die über vier Jahre in verschiedenen Städten der USA durchgeführt wurde. Dieser Talk kann daher Licht in die verworrene Diskussion über die Zukunft der Arbeit und Plattformarbeit bringen. Es bietet sich daher an diese Session zusammen mit dem Vortrag Plattformarbeit - Lohnende Mikro-Selbständigkeit oder reine Ausbeutung? zu besuchen, um einen Vergleich zwischen Plattformarbeit in den USA und Deutschland anstellen zu können. (SG)

Dr. Algorithmus – das berechnete Gesundheitsrisiko
Brigitte Strahwald Ulrich Mansmann

Bei der ständigen Selbstoptimierung durch Fitbit und Co. kommt man um die vielen Risikorechner nicht herum, die einem ja dabei helfen sollen, noch fitter und besser optimiert zu sein. Dass viele Krankheiten unabhängig vom Lebensstil, der köperlichen Gesundheit oder der Selbstoptimierung auftreten können, machen sich die wenigsten Menschen bewusst. Und wie genau diese Risikorechner funktionieren, ist auch oft nicht klar. Diese Session will genau das erklären, was für die innere Ruhe und den Seelenfrieden sehr heilsam sein kann. Da gibt’s auch Punkte für die Wellness-App! (VT)

Darüber hinaus empfehlen wir allen, die sich für den digitalen Wandel der Arbeitswelt interessieren, die Sessions der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft in Halle 2 zu besuchen. Die Denkfabrik des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist Partner der re:publica19 und widmet sich den Themen Plattformökonomie, Künstliche Intelligenz, Arbeitskultur und Datenschutz. Es werden Talks, Diskussionen und Workshops zu den Schwerpunkten Datenökonomie, digitale Genossenschaften, soziale Bewegungen und neue Formen der Partizipation angeboten. Zum Programm.